Bücher – Aktuell
Privatzeug 1856 bis 2012
Versuch einer Spurensuche
Rainer Bressler, Herausgeber
besteht aus fünf Spuren. Jede Spur hat eine andere Hauptperson. Eine Mutter, deren Sohn im Exil lebt. Da ist das Thema Migration (1). Ein Mensch, der seine Spuren sucht. Der spielerische Umgang mit der eigenen Geschichte (2). Ein Teenager, der sich seinem Tagebuch anvertraut. Auch das Intime muss irgendwie raus (3). Ein Dichter, der nicht mehr veröffentlichen kann. Protest gegen bestehende Verhältnisse (4). Ein Ausgewanderter, der Briefe von seinen Freunden, Verwandten und Bekannten aus der alten Heimat und aus dem übrigen Ausland erhält. Die Ankunft am fremden Ort (5).
Die Spuren, die aus Dokumenten bestehen, erzählen Geschichten, die das Leben schrieb und die sich dementsprechend wie ein Unterhaltungsroman über scheinbar gewöhnliche Alltage lesen.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt
Gestaltung und Satz: STVG – Mahrer, Lzicar, Zürich
Spur 1 Reisen
Lokomotion. Reisebericht Japan 1997 von David Kristiaan
Deportation. Dokumentencollage Breslau 1941
2013
1997 reist im Sinne einer Flucht vor seinem nervenden Alltag der Protagonist von David Kristiaans Reisebericht nach Japan, schmeisst sich in Tagträume, wacht auf und erlebt in der Fremde das Fremdsein am eigenen Leibe. Dabei wird er überraschend und unerwartet von der Geschichte seiner Grossmutter anhand von Briefen, Tagebucheinträgen, Gesetzen, Gedichten, Medienberichten, Zitaten, Anmerkungen eingeholt, stürzt in Trauer über das bisher Verdrängte und schwört sich, nach der Rückkehr sich den Spuren und Dokumenten, die er bruchstückhaft und ungeordnet erinnert, zu widmen, um endlich zu erfahren, woraus das bisher tatsächlich Verdrängte / Verschwiegene / Vorenthaltene besteht.
Die Dokumentencollage ist reich bebildert und in farbiger Schrift gedruckt: blau - die Briefe der Mutter; grün - die Tagebucheinträge und Gedichte des Sohnes; rot - Gesetze und amtliche Weisungen; schwarz - Dokumente aus weiteren Quellen und Zitate.
Spur 2 Spielen
Freitag. Erzählung Zürich 1999 von Eugen Tanzner
Ausländer. Hörspiel Zürich 2002 von Rainer Bressler
Ankunft. Theaterstück Zürich 2006 von Rainer Bressler
2013
zeigt den Umgang eines Menschen mit seinen ihm zugefallenen familiären Spuren, über die in der Familie nicht geredet wurde und die er erst spät entdeckt. Im Sinne von Rollenspielen versetzt dieser Mensch sich in die verschiedenen Figuren seiner Geschichte hinein und schreibt ein Hörspiel, dann auch ein Theaterstück, um die eigene Geschichte auszuloten. Das Hörspiel und das Theaterstück stehen im Zentrum dieses Bandes. Die Erzählung, die die dramatischen Werke einrahmt, gibt wieder, wie die Spuren plötzlich in einen prall gefüllten Alltag hereinplatzen und wie dieser Alltag sich thematisch mit den Spuren der Geschichte verbindet.
Spur 3 Schreiben
Krapotkes Aha-Erlebnis. Erzählung Zürich 1991 von Natascha Wummer
Pink Champagne. Roman Zürich 1985 von Kess Frank
Tagebuch. Ratibor 1868 von Minna Hausmann
2013
besteht aus drei ineinander verschachtelten Texten. Das Motto lautet: ich habe es lange runtergeschluckt, nun muss es raus! Das Kernstück dieses Bandes ist das dokumentarische Tagebuch 1868 bis 1871 von Minna H. aus Ratibor, Schlesien. Den Rahmen bildet eine Erzählung von 1991, in die noch ein satirischer Roman von 1985 locker eingefügt ist. Mit dieser Veröffentlichung eines Tagebuches drängt sich die Frage nach dem Umgang mit dem Persönlichen, dem Intimen auf. Um diese Frage in der Gegenwart zu behandeln, wird das antike Tagebuch in die vergleichsweise modernen Texte eingebettet.
Spur 4 Dichten
Gärung. Roman Zürich 1995 von Eugen Wilhelm
Aufruhr in Zürich. Hörspiel Zürich 1986 von Rainer Bressler
Ein Glaubensbekenntnis. Gedichte Jauer 1934 von Hans-Günther Bressler
Vortrag Umiken 1973 von Hans-Günther Bressler
2014
In der Gärung gärt es rundherum schrecklich mit Rap, Schlägerei, Graffiti, polizeilichen Untersuchungen und allem, was dazu gehören kann, bis die Schose sich in Minne auflöst und alle ein Bisschen gescheiter geworden sind oder auch nicht. Aus der Gärung rühren einzelne Manifestation auf, eine Unterhaltung (Rainer Bressler, Aufruhr in Zürich 1986), ein Stück beinahe vergessener Geschichte (Ferdinand Freiligrath, Ein Glaubensbekenntnis 1844), der untaugliche Versuch eines Protests (Hans-Günther Bressler, Ein Glaubensbekenntnis 1934) und das Nachdenken über nachdenkliche Dichter und Denker (Hans-Günther Bressler, Gedichte der Verweigerung und ihre Autoren 1973). Wird solches Privatzeug als Spur gesichert, ist der Wertgewinn nicht der Inhalt der Spur an sich, aber das, was durch die Auseinandersetzung damit angestossen und ausgelöst wird.
Spur 5 Weben
Weben. Briefdokumente 1945 bis 1955 Zürich 2015 von Rainer Bressler
Texturen. Krimi-Satire Zürich 1998 von Relsserb Reniar
Der Salon des Monsieur Westbury. Farce 1979 von Rainer Bressler
1945. Der Krieg ist vorbei. Allmählich normalisiert sich der Verkehr zwischen den ehemals feindlichen Ländern. Im Privaten bedeutet dies, dass aus politischen Gründen unterbrochene Beziehungen wieder aufgenommen werden können: den 1937 in der Schweiz gestrandeten Asylanten erreichen zwischen 1945 und 1956 Briefe von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten aus aller Herren Länder, Briefe, die Schicksale erzählen. Den in eine Erzählung eingebetteten Briefdokumenten sind als Collage eine Krimi-Satire und eine Farce beigefügt, die vom Überleben in einem schwierigen Alltag handeln.